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Harley – Davidson Livewire

Offenbahrung mit Ruhepuls

Zeitwende bei Harley-Davidson: Ab September 2019 gibt es das erste Elektromotorrad der Easy-Rider-Schmiede – gepimpt mit modernen Assistenzsystemen und einem ganz neuen Taktgefühl. Der hohe Anschaffungspreis wird elegant subventioniert: Die Käufer dürfen zwei Jahre lang umsonst Strom schnelladen bei allen LiveWire-Dealern.

Kein Kuppeln. Kein Rauf- und Runderschalten. Kein Lastwechsel. Einfach nur Gas geben und ab durch die Mitte, schnell und lautlos wie ein Lichtstrahl. Auf die Vorstellung, dass das mal die Antriebsphilosophie von Harley-Davidson werden würde, der Mutter(marke) aller Big-Twin-Jünger, hätten William S. Harley und Arthur Davidson vermutlich kichernd eine Tasse Milwaukee-Whisky geleert. Und sich dann prustend auf die Schenkel geklopft, anno 1903, als sie ihre Heavy-Metal-Motorradmarke aus der Taufe hoben.

Lang ist es her. Aber ein paar Millionen gusseiserne Bikes später ist klar: Genau das ist der Weg in die Zukunft des legendären US-Herstellers. Daran besteht nach der offiziellen Fahrpräsentation der Harley-Davidson LiveWire in Portland, Oregon, nicht der Hauch eines Zweifels.

Kein V2-Bollern mehr. Keine ohrenbetäubenden  Salven aus offenen Auspuffanlagen. Stattdessen ein konstant anschwellendes Surren, fein abgestimmt auf die steigende Geschwindigkeit. Beim gemütlichen Cruisen in der City sind die neuen Töne von ,,H-D“ kaum zu hören. Die Verantwortlichen der Marke sind gleichwohl überzeugt: ,,Das Antriebsgeräusch klingt wie bei einem Jet – dynamisch, einprägsam und unverwechselbar“, so Ben McGinley, Manager EV Styling und Lead Designer der LiveWire.

Blickfang ist der Motor, auch bei der Harley

,,Optisch liegt der Fokus wie bei jeder Harley auf dem Motor“, sagt E-Harley-Createur McGinley. Kompakt, präsent, zeitgemäss. Und irgendwie maskulin, trotz des auffällig schlenken Looks. Wie ein mattsilbernes Torpedo hängt der Permanentmagnet-Elektromotor unter der massiven Antriebsbatterie der LiveWire.

Das graphit-schwarze Leichtmetallgehäuse zieren markante Kühlrippen. Massgeblich reguliert wird die Wärmeabfuhr allerdings von einem versteckten Flüssigkeitskühler, der sich geschickt im Dunstkreis der Tankatrappe versteckt. Lufthutzen am Rahmen leiten zusätzlich Kühluft von oben auf das Leichtmetallgehäuse. An mehreren Punkten ist es mit dem Rahmen verbunden und versteift so das Fahrwerk.

,,Revelation“ hat Harley-Davidson seinen ersten Elektroantrieb getauft, auf deutsch übersetzt Offenbahrung. Fünf Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung gewähren die Amis auf ihr wiederaufladbares, nahezu wartungsfrei Energiespeichersystem. Der 78 kW (106 PS) starke E-Antrieb kommt wie bei einem Scooter ohne Kupplung und Getriebe aus. Das macht es auch weniger erfahrenen Bikern einfach, mit der 249 Kilogramm schweren Maschine klarzukommen. Und verleiht der E-Harley ein geradezu spielerisches Moment.,

,,Twist-and-go“ nennt Harley-Davidson die Idee hinter dem Direktantrieb seines ersten Elektromotorrads. ,,Viele weitere elektriefizierte Modelle werden folgen“, verspricht Harley-Boss Matthew Levatich, der stolz verkündet: ,,Die LiveWire ist unser neues Super-Premium-Leuchtturm-Motorrad“. Aufsteigen, Gas geben, Spass haben. Simpler kann Motorradfahren nicht sein. Direkter auch nicht: Das volle Drehmoment (117 Nm) liegt bei E-Motoren bekanntlich ab dem ersten Meter an. Ein Dreh am Gasgriff, und die LiveWire jagt davon, als wären alle V2-Teufel der Welt hinter ihr her!

Nahezu lautlos schiesst das Bike nach vorn. Drei Sekunden bis Tempo 100, keine zwei Sekunden für den Zwischenspurt von 100 auf 130 km/h – solche Zeiten legen normalerweise Superbikes hin. Vmax: völlig ausreichende und elektronisch abgeregelte 177 km/h. Mit steigender Drehzahl wird das Revelation-Whuuuiiiieeee lauter und paart sich lustvoll mit dem Fahrtwind. Ein guter Gradmesser fürs Tempo, genau wie die zunehmende Unschärfe der vorbeiwischenden Umgebung. Das bestens ablesbare, farbige 4,3″-TFT-Display würdigt man auf den ersten Kilometern garantiert keines Blickes. Das hochtourige Motorgeräusch als Speedrichtschnur entfällt. Vermissen wird es keiner. Lautlos ist das neue Wrroouummm.

Sieben Fahrmodi für alle Lebens- und Gemütslagen

Vier konfiguierte Fahrmodi stehen zur Wahl. Harley hat sie Sport, Strasse, Regen und Reichweite getauft. Hinzu kommen drei frei einstellbare Programme namens A, B und C. Hier können Fahrparameter wie Leistungsentfaltung, Rekuperationsstärke und Traktionskontrolle über den Touchscreen individuell gewichtet und eingestellt werden. Wie bei einem Smartphone gibt es dafür visuelle Schieberegler. Zieht man die ,,Regenration“ auf wenigstens 40 %, kann man sich den Griff zur Bremse fast vollständig sparen – Gas wegnehmen reicht zum spürbaren Tempoabbau. Das Prinzip ist bekannt von der ,,One Pedal“-Bedienung diversen Elektroautos: Ohne Schub kehrt sich der Leistungsweg um. Der E-Antrieb wird übers drehende Hinterrad zum Generator. Auf diese Weise speist er Energie zurück in den Antriebsakku. Und bremst das Fahrzeug ab. 158 Kilometer elektrische Reichweite gemäss World Motorcycle Test Cycle (WMTV) verspricht Harley-Davidson im kombinierten Stadt-/Landbetrieb. Wer die City nicht verlässst, soll 235 Kilometer schaffen, ohne nachzuladen.

Die reale Reichweite liegt vermutlich irgendwo dazwischen, je nach Gashand und Witterung. Unsere Testfahrt durchs kurvige Hinterland der US-Brauerei-Metropole war nach rund 110 km vorbei, die Batterie noch gut zu einem Drittel gefüllt. Am Schnellader (Typ-2-Stecker) soll der leere 15,5-kWh-Akku nach 40 Minuten wieder zu 80 % aufgeladen sein, weitere 20 Minuten später geht nix mehr rein. Das konventionelle Netzkabel reist mit einem Fach unter der Sitzbank mit. Es saugt pro Stunde rund 20 Kilometer Reichweite aus jeder vernünftig abgesicherten Haushaltsteckdose.

Erste Harley mit modernen Assistenzsystemen

Über Nacht ist der Lithium-Ionen-Akku wieder voll. Schneller geht es beim Händler: Alle vorerst 250 LiveWire-Dealer – jeder vierte Harley-Händler weltweit – verpflichten sich, mindestens einen Schnellader zu installieren, den die Kunden rund um die Uhr nutzen können. Wenigstens 14 der schmuck gebrandeten DC-Ladesäulen sollen pünktlich zur Markteinführung im September 2019 in Deutschland stehen. Wo genau, verrät einem die neue kostenlose Harley-Davidson-App, die pünktlich zur Markteinführung am Start sein soll. Technisch ist die LiveWire allen anderen Modellen von Harley-Davidson um Lichtjahre voraus, nicht nur wegen des lokal emissionsfreien Antriebs. Sie verfügt als erstes Motorrad der Marke über eine sogenannte 6-Achsen-IMU (Inertial Measure Unit). Ein echtes Premiumfeature. Das sensorgesteuerte Elektronenhirn erfasst und analysiert alle Bewegungen der Maschine. Dadurch können die elektronischen Assistenten bei der Geradeausfahrt und in Schräglage eingreifen.

Die E-Harley verfügt dank der IMU über moderne Safety-Segnungen wie Kurven-ABS mit Überschlagvermeidung, kurvenoptimierte Traktionskontrolle mt Wheelie-Kontrolle (hält das Vorderrad am Boden) sowie Antriebsschlupfregelung. Harley-Davidson bündelt die Systeme im serienmässigen Assistenzpaket RDRS (Reflex Defensive Rider Systems). Fahrer, die glauben, grundsätzlich selbst Herr der Lage zu sein, können die Traktionskontrolle im Stand abschalten. Und beim Fahren wieder aktivieren. Wirklich orginell ist der ,,Ruhepuls“ der LiveWire. Sobald die Zündung an ist, sendet der Revelation-Antrieb im Stand über den Antriebsriemen 50 Schläge pro Minute aus. ,,Der Drehmomentimpuls soll den Fahrer daran erinnern, dass die Maschine startklar ist“, erklärt Glen Koval, Chefingenieur des Projekts LiveWire.

Beim Anfahren hört das originelle, ans V2-Wimmer der Milwaukee-Eight-Verbrenner erinnernde Pulsieren auf, beim Anhalten meldet es sich dann wieder. Ein Sicherheits-Feature, das bislang nur die E-Harley bietet. Werksseitig ist es auf Stufe eins eingestellt. Beim LiveWire-zertifizierten Harley-Händler kann man es ausschalten oder auf Stufe zwei hochdrehen lassen.

Technische Daten Harley-Davidson Live Wire

Motor

Permanentmagnet-Elektromotor, flüssigkeitsgeküht

Leistung

78 kW (106 PS) bei 11.000 U/min

Max. Drehmoment

117 Nm bei 0-5000 U/min

Höchstgeschwindigkeit

177 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0-100 km/h

ca. 3,0 Sekunden

Getriebe

Direktübersetzung

Antrieb

Zahnriemen

Antriebsbatterie

Lithium-Ionen-Akku

Gesamtkapazität

15,5 kWh

Reichweitekompiniert

(kombiniert/WMTC): 158 km/h

Ladedauer

(DC-Schnellader, 100 %): 60 Minuten

Sitzhöhe

761-780 mm

Radstand

1490 mm

Gewicht

249 kg

Preis

32.995 Euro

Quelle: arrive

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