Autogasfahrer.ch

Autogas in der Schweiz

Im Osten gibt’s Neues

2009 stellte ein team aus Ostdeutschland das Konzeptfahrzeug für eine elektrische Neuauflage des Trabants vor. Bis jetzt ist daraus kein Serienfahrzeug geworden, elektrische Trabbis gibt es heute trotzdem. Einer davon ist Knallrot und fährt durch ein Land, dass Momentan häufig in den Medien ist, die Ukraine.

,,Wir wünschen uns die elektrische Auferstehung des Trabants“, das gaben die meisten der 12.000 IAA-Besucher und Besucherinnen 2007 bei einer Umfrage auf der Messe an. Der Spielwarnhersteller Herpa zeigte damals nur eine Miniaturversion dieser Idee. Aufgrund der positiven Resonantz entwickelten sie gemeinsam mit dem Karosseriebauer IndiKar ein erstes Kozeptfahrzeug des Elektro-Trabbis. Mit 100 Kilometer Reichweite und 130 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit sollten die Investoren überzeugt werden. Doch der elektrische Trabbi war seiner Zeit voraus, und das wurde ihm zum Verhängnis. Es blieb bei einem Prototyp. Den Wunsch vom elektrischen Trabbi mussten sich die Menschen bis heute selber erfüllen, so wie Evgeniy Bidogolovko aus der Ukraine.

Er hat sich 2017 einen orginalen Trabant 601 von 1976 gekauft und ihn grundlegend verändert. Der 32-Jährige lebt mit einer vierjährigen Tochter in Dnipor etwa 300 Strassenkilometer nordwestlich von der Hafenstadt Mariupol. Bevor Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hatte, nutzte Evgeniy seine Freuzeit und sein Erspartes für die Elektrifizierung seines Trabbis. Heute spendet er sein Geld an die ukrainische Armee.

Als er den Trabbi kaufte, war der Lack bereits verblichen, und der Verbrennungsmotor hatte seinen Zenitt überschritten. Jetzt erstrahlt der Wagen in glänzenden Rot und fährt vollelektrisch. Bisher hat Evgeniy etwa 10 000 Dollar in seinen Elektro-Trabbi investiert. Als studieter Physiker und Mikorelektroniker kennt er sich fachlich mit der Materie aus, aber auch handwerklich ist er kompetent. Bis auf ein paar sehr spezielle Elektronikteile hat er alles selbst gemacht. Er hätte sich kein besseres Fahrzeug für sein Projekt vorstellen können, schreibt er mir auf Instagram: ,,Der Trabant ist wie gemacht für seinen elektrischen Antrieb, und er ist leichtgewichtig ,retro und rot“.

Um Platz für das Akku zu schaffen, entfernte Evgeniy den Beifahrersitz und ersetzte ihn durch eine rot lackierte Box. Darin ist jetzt ein 10-kWh-Akku untergebracht. An der Armatur hat er einen Spannungsmesser und zusätzliche Schalter verbaut. Wie beim Orginal bleibt der Innenraum schlicht und rudimentär, nur die neuen braunen Lederpolster wirken edler. Auch aussen hat Evggeniy den Trabbi etwas modifiziert und ihn mit verddunkelten Scheiben und Alufelgen von BBS ausgestattet. Beim Orginal musste er beim Tankvorgang die Motorhaube öffnen. Um den Akku des Elektro-Trabbis zu laden, muss er jetzt den Kofferraum öffenen. Über den Stecker-Typ-2 kann er seinen Elektro-Trabbi ans Stromnetz seiner Garage hängen. ,,Das Laden geht schnell und ist gar kein Problem“, sagt Evgeniy. Er kann mit seinem Elektro-Trabbi auch an öffentlichen Ladestationen.

Nicht nur beim Laden sollte es schneller gehen. Nachdem ihn der erste verbaute Elektromotor nicht zufrieden stellte, entschied Evgeniy sich für die Technik aus einem Fahrzeug, das lange als das meistverkaufte Elektroauto weltweit galt. ,,Die Konstruktion war nicht zuverlässig genug, sodass ich 2021breschloss, auf den ZEO-Motor Leaf umzusteigen“, schreibt er. Maximal leistet der Motor 100 Kilowatt, aufgrund des kleinen Akkusist die Leistung aber nur auf 70 Kilowatt gedrosselt. Das reicht für eine Beschleunigung von null auf 100 in sieben Sekunden. Das ist mehr als doppelt so schnell wie das DDR-Orginal. Mit damaligen Dreizylinder-Reihenmotor brauchte der Traband 601 genau 20 Sekunden.

Oft sind es aber nicht die Leistungsdaten seines Fahrzeuges, sondern die Optik, auf die Evginy angesprochen wird. ,,Wenn ich an einer Ampel stehe, passiert es oft, dass mich Leute bitten, dass Seitenfenster herunterzukurbeln.. Dann fragen sie mich: Was für eine Automarke ist das? Ist das ein Moskwitsch oder ein Saporoshez2?“, berichtet Evgeniy. Die beiden Automarken kommen von sowjetischen Herstellern. Mokwitsch aus dem heutigen Russland und Saporoshez aus der Ukraine. Auch der Trabant war ein sowjetisches Auto, aber in der Ukraine sieht es man trotzdem selten, und das ist auch der Grund für Evgeniys Begeisterung. ,,Beschäftige mich mit der Reparatur und dem Tuning von Scheinwerfern, und es sind schon viele verschiedene Autos durch meine Hände gegangen. Wollte einfach mal ein ungewöhnliches Auto bauen.“

Bis heute gibt es in seiner Familie einen VW Golf 6 und einen Ford Transit, aber: ,,Der Traum war immer schon ein Elektroauto“, sagt Evgeniy. Einen elektrischen Neuwagen konnte er sich bisher nicht leisten, deshalb hat er selbst Hand angelegt. Für die Elektromobilität interessiert er sich vor allem aus ökonomischen Gründen: ,,Ein Elektroauto ist sehr rentabel. Wir zahlen derzeit über einen Dollar pro Liter Dieselkraftstoff.“ Im Vergleich zu den Preisen in Deutschland klingr das günstig, aber das durchschnittliche Monatsgehalt in der Ukraine liegt laut der Webseite bdex-de.com auch 2022 noch landesweit bei nur 558 Euro pro Person. Evgeniy ist selbstständiger Unternehmer im Bereich Reparatur und Tuning von Kfz-Optik und hat einen kleinen Onlineshop für Autolampen und Scheinwerfern. Seinen roten Elektro-Trabbi fährt er jeden Tag, denn er ist sein Aushängeschild und günstiger zu unterhalten als ein Verbrenner. Er kann ihn zu Hsuse in seiner Garage laden und kommt für deutlich weniger als einen Dollar etwa hundert Kilometer weit. Für seine täglichen Wege reicht das aus. Wenn er wieder etwas Geld zusammen hat, will er sein selbst gebautes Elektroauto weiter optimieren. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollte er einen grösseren Akku verbauen und den Innenraum neu gestalten, doch dann rollten Putins Panzer über die Grenze.

Ende April schreibt er mir, dass die Situation in Dnipro okay sei, aber der örtliche Flughafen sei gerade zerstört worden. Er selbst musste bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Waffe greifen und hoffte dass es so bleibt. Wie gern würde er sich schöneren Dingen zuwenden und sich in seinem elektrischen Retro-Flizer selbst verwirklichen. ,,Dieses Auto ist sowohl für die Seele als auch für meine Arbeit gebaut. Viele verstehen dieses Auto hier nicht. Für mich ist es ein alltzagtaugliches Showcar, um die Leute zum Lächeln zu bringen.“

Quelle: arrive

Das Automagazin für die Mobilität der Zukunft

Einen Kommentar schreiben

Copyright © 2024 by: Autogasfahrer.ch • Design by: BlogPimp / Appelt Mediendesign • Foto: Pixelio • Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.

Besucherzaehler